Als Fachkraft der Netzwerk Familie GmbH möchte ich mit ihnen in diesem Artikel meine Gedanken zur Thematik Regeln und Grenzen in der Erziehung teilen.
Regeln und Grenzen bestimmen unser tägliches Leben. Bewusst hinterfragen wir sie selten. Dennoch hält man sich selbstverständlich an die Vorschriften, sonst erwarten uns wohl bekannte Konsequenzen. Doch wie sieht es mit der Erziehung der Kinder aus? Welchen Stellenwert haben heutzutage Regeln aus Sicht der Eltern? Wie lehren wir Ihnen die Bedeutung und ein Bewusstsein von Regeln?
Ein Thema, welches in den von meiner Seite aus zu betreuenden Familien im Laufe der Zusammenarbeit an Wichtigkeit gewinnt. Ich beobachte häufig, dass Eltern und Erziehungsberechtigte zwar Regeln im Alltag mit ihren Kindern aufstellen, sich jedoch die Umsetzung und Konsequenz schwieriger gestaltet als gewünscht. Doch woran kann das liegen?
Ich habe zum Thema ein wenig beobachtet und mit einigen Familien gesprochen und festgestellt, dass manche Eltern und Erziehungsberechtigte befürchten, ihr Kind/ihre Kinder durch das Umsetzen von Regeln in ihrer Freiheit einschränken, dass sie als Eltern/Erziehungsberechtigte von ihren Kindern als streng oder „übergeordnet“ angesehen werden könnten. Diese Sichtweise kann dazu führen, dass erst gar keine Regeln und Grenzen in der Erziehung gesetzt werden, über vereinbarte Konsequenzen hinweggesehen wird oder intuitiv je nach Situation gehandelt wird.
Instinktives Handeln muss keinesfalls eine negative Reaktion auf eine Grenzüberschreitung sein. Oftmals ist man unerwartet in der Pflicht, individuell als Erziehungsberechtigter zu handeln und zu reagieren, weil man grenzüberschreitende Situationen und Regelverstöße im Voraus nicht planen und erwarten kann. In solchen Fällen erachte ich als relevant, das Geschehene mit dem Kind/Jugendlichen in Ruhe zu besprechen, ein Bewusstsein für sein/ihr Handeln zu erarbeiten und klare Grenzen aufzuzeigen. Denn woher sollen Kinder/Jugendliche sonst ihre Taten in akzeptabel und inakzeptabel einordnen können?
Hier merkt man, wie wichtig die Rolle der Vorbildfunktion für Kinder und Jugendliche ist. Was man ihnen vorlebt, kann umso einfacher auch von ihnen selbst auch eben für das spätere, selbstständige Leben in der Gesellschaft angewandt und als selbstverständlich angesehen werden. Ist es dann nicht auch Teil von demokratischen Erziehungsmaßnahmen, die man als Eltern/Erziehungsberechtigter trägt? Wer sagt, dass Regeln innerhalb der Familie aufgestellt werden müssen und vor allem wann und von wem überhaupt? Ich denke, dass hier ständige Reflektion der Eltern über das Verhalten des Kindes aber auch das Zusammenleben in der Familie, der gesamte Alltag von allen Familienmitgliedern stetig überdacht werden muss. Regeln könnten zum Bespiel dann ausgedacht werden, wenn wiederkehrende Situationen von jemanden als grenzwertig beurteilt werden. Natürlich nicht zu verachten, dass Eltern/Erziehungsberechtigte in der Fürsorgepflicht für ihre Kinder/Jugendlichen stehen. Hier muss eine gesunde Haltung zum Wohl der Kinder eingenommen werden, um sein Kind auch eben vor Gefahren zu schützen! Natürlich spielt hier auch das Alter, der Entwicklungs- und Gesundheitszustand des jungen Menschen eine entscheidende Wichtigkeit.
Wäre es nicht sinnvoll, offen zu kommunizieren und Regeln mit allen Familienbeteiligten gemeinsam und vor allem für alle gemeinsam aufzustellen? Sich an Abmachungen zu halten, gestaltet sich für viele einfacher, wenn diese von allen als sinnvoll und verständlich gesehen werden. Regeln müssen daher immer begründbar sein, um verstanden und akzeptiert werden zu können.
Doch dennoch wird ein Regelverstoß oder eine Grenzüberschreitung im Laufe der Entwicklung eines Kindes stattfinden. Es ist sehr wichtig, eigene Erfahrungen als Kind/Jugendlicher zu sammeln und sich auszuprobieren, das sogenannte „Explorationsverhalten“ zu zeigen. Junge Menschen sollen lernen, dass aus Taten Konsequenzen resultieren können, positive, aber auch negative. Daraus können sie lernen, ihr Verhalten der Mitmenschen anhand deren Reaktion zu deuten. Wichtig ist nur, dass Folgen einen Bezug zur Grenzüberschreitung haben. Zum Beispiel macht es Sinn, dass ein Kind beim absichtlichen Verursachen von Malspuren mit dem Buntstift auf dem Stuhl als Grenzreaktion ein Tuch zur Säuberung erhält, um das Verursachte zu beheben. Sollte dasselbe Verhalten wiederkehren oder seitens des Kindes keine Reaktion auf die Aufforderung folgen, werden Warnungen ausgesprochen oder es werden darauffolgend die Malstifte abgenommen. Eine für das Kind nicht greifbare Konsequenz hierfür wäre, Fernsehverbot zu erteilen, obwohl der Regelverstoß des absichtlichen Verunstaltens mit Buntstiften mit dem verantwortungsbewussten Umgang mit Materialien/Möbeln zu tun hat. Meiner Meinung nach sind dann genau auch Eltern und Erziehungsberechtigte in der Pflicht, das Verhalten des Kindes zu werten, Ehrlichkeit zu vermitteln und offen über eigene Gefühle und Meinungen zu sprechen („Das bereitet mir Sorge“, „Mir ist wichtig zu verstehen, wie es dir damit geht“). Eben auch die elterliche Fürsorge klarzustellen, um, wie bereits erwähnt, sein Kind zu schützen oder vor möglichen Folgen zu wahren.
So individuell wie die Entwicklungsphasen eines Kindes sind und ebenso individuell die Umsetzung von methodischen Erziehungszielen sind, sind eben auch die Regeln und Grenzen stets anzupassen. Durch das Ausprobieren und Sammeln an Erfahrungen aller Beteiligten müssen Vereinbarungen immer wieder neu optimiert werden. Klar, dass auf positive Verhaltensänderungen immer mit Lob und Ermutigung reagiert werden soll! Schlussfolgernd werden Grenzen gelockert oder können sogar aufgehoben werden. Durch „Regelverstöße“ liegt es immer am Ermessen der Eltern, Konsequenzen zu erweitern. Umsetzung beider Elternteile ist das A und O, das vermittelt dem Kind Sicherheit und Beständigkeit.
Das Erziehen und Begleiten eines Kindes vom Neugeborenen zum Säugling, über Kleinkind zum Kita- und Schulkind bis über die Pubertät zum eigenständigen, jungen Erwachsenen und oftmals sogar darüber hinaus, fordert von den Erziehungsberechtigten stetige Reflektion und Veränderung. Doch im Laufe der Zeit lernt man sein Kind und dessen Persönlichkeit/Charakter kennen und mit manchen Herausforderungen umzugehen. Man wird mit Erfahrung selbstsicherer.
Ein Austausch über aktuelle Herausforderungen mit außenstehenden Fachkräften und Vertrauten gibt Eltern eine neue Sichtweise auf so machen Situationen. Gerade in meiner Arbeit der Sozialpädagogischen Familienhilfe rate ich Eltern, Kontinuierlichkeit in der Umsetzung von Regeln und dessen Konsequenzen beizubehalten, dann wird ein erfolgreicher Lernprozess erzielt werden können. Das Miteinander der Familie kann gestärkt werden, vor allem beider Erziehungsparteien, welche einem selben Ziel nachkommen.
Das bedeutet meiner Meinung nach, dass Regeln genauso zu einer liebevollen und demokratischen Erziehungshaltung dazugehören müssen, um sein Kind in erster Linie zu schützen und es dennoch zu einem selbstverantwortlichen Menschen in der Gesellschaft heranzuziehen. Dabei gibt es kein „richtig“ oder „falsch“, keine Vorgabe, denn jeder erzieht anders: Hauptsache immer bedürfnisorientiert!
Alina Mailänder, ambulante Fachkraft der Netzwerk Familie GmbH
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