Umgang mit traumatisierten jungen Menschen

20. Jul. 2023Betreuungsstellen, Bewerber*innen, Jugendämter

Für ein Kind oder Jugendlichen ist eine traumatische Situation ein existenzbedrohendes Ereignis, dass der junge Mensch mit einem Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit erlebt. Der junge Mensch erlebt sich in der Situation als Handlungsunfähig und der Situation ausgeliefert. Dadurch kann Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein und Urvertrauen nachhaltig erschüttert werden. Es gibt eine Vielzahl von Traumatisierungen.

In unserer täglichen Arbeit im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, haben wir aber im Wesentlichen mit psychischen Traumata zu tun. Ein psychisches Trauma ist eine starke psychische Belastung in der Vergangenheit, deren Wirkung in der Zukunft weiterhin spürbar ist. Traumatisierungen sind individuell zu betrachten. Welche Ereignisse von jungen Menschen als traumatisierend erlebt werden, hängt von den zur Verfügung stehenden Resilienzfaktoren ab.

Traumaschema

 Für die Entstehung einer Traumatisierung bzw. einer Traumafolgestörung ist nicht das Einwirken eines äußeren Ereignisses auf die Psyche allein ausschlaggebend. Ein wichtiger und entscheidender Faktor ist die innere Bewertung durch den oder die Betroffenen

(Alexander Korritko, Dipl. Sozialarbeiter und Paar- und Familientherapeut)

Häufigste Arten der Traumatisierung in der Kinder- und Jugendhilfe

  1. Die aktive oder passive Vernachlässigung
  2. seelische Misshandlung
  3. Körperliche Misshandlung
  4. Häusliche Gewalt
  5. Traumatisierte Sexualisierung
  6. Traumatisierte Trennung von Hauptbezugspersonen.
  7. Kinder psychisch kranker Eltern

Pädagogische Grundhaltung in der Arbeit mit traumatisierten jungen Menschen

  1. Annahme des Guten Grundes

Wesentlicher Hauptaspekt in der Arbeit mit traumatisierten jungen Menschen ist die Annahme des guten Grundes. Darunter ist zu verstehen, dass die gezeigten Verhaltensweisen der jungen Menschen der Regulation gegen traumatisierten Stress, massiver Belastung und ständiger Aktivierung des Panik- und Fluchtsystems dienen. Man kann hier von einer Überlebensstrategie der jungen Menschen sprechen. Eine Veränderung der Verhaltensweisen kann erst dann erfolgen, wenn für den jungen Menschen ein Lebensumfeld geschaffen wurde, in dem er vor Gefahren, die im Bezug zur Traumatisierung stehen geschützt ist und diesen Schutz für sich als glaubhaft verordnen kann. Hierfür ist ein klar strukturiertes, transparentes und partizipatorisch geprägtes Lebensumfeld notwendig, mit berechnenden Bezugspersonen. Die jungen Menschen sollen als ExpertInnen ihres Lebens verstanden und wahrgenommen werden. Um mit den jungen Menschen an Verhaltensveränderungen arbeiten zu können benötigt es daher ein Verständnis für die gezeigten Verhaltensweisen. Hierdurch soll die Fachkraft vorherrschende Ängste, Sorgen und Bedürfnisse des jungen Menschen wahrnehmen, um auf deren Grundlage passende Handlungsmöglichkeiten zu schaffen und dem jungen Menschen die Möglichkeit zu bieten Vertrauen zur Bezugsperson aufzubauen und einen sicheren Ort zu erfahren.

  1. Wertschätzung

Allgemein ist in der pädagogischen Arbeit eine wertschätzende Grundhaltung unverzichtbar. So auch in der Arbeit mit traumatisierten jungen Menschen. Fachkräfte sollen und müssen den Verhaltensweisen der jungen Menschen wertschätzend begegnen und ein Verständnis entwickeln, dafür, dass die gezeigten Verhaltensweisen eine natürliche Reaktion auf eine unnatürliche Stresssituation darstellen.

  1. Partizipation

Junge traumatisierte Menschen haben in ihren Herkunftsfamilien selten Partizipation erfahren. Vielmehr Fremdbestimmung und Führung. Dadurch haben die jungen Menschen Ohnmacht und Erstarrung erfahren. Die Schaffung eines partizipatorischen Umfelds zur Entwicklung eines positiven Selbstbild und der Wahrnehmung von Selbstwirksamkeit ist daher ein weiterer wesentlicher Aspekt der traumapädagogischen Arbeit. Übergeordnetes Ziel ist es, jungen Menschen Möglichkeiten zu bieten, um Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit zu erfahren. 

  1. Transparenz

Ein Trauma ist ein unvorhersehbares, plötzliches Ereignis. Traumatisierte junge Menschen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe haben in ihren Herkunftsfamiliensystem oftmals keine stabilisierenden und entwicklungsfördernden Versorgungsstrukturen kennengelernt und geboten bekommen. Familiäre und alltägliche Situation waren beliebig. Aufgrund dessen, ist in der traumpädagogischen Arbeit mit jungen Menschen die Schaffung einer klaren und verlässlichen Tages- und Alltagsstruktur, sowie eine klare und von Ehrlichkeit, wie Offenheit geprägten Kommunikation unabdingbar.

 

Methoden und Techniken der Traumpädagogik

  1. Die Pädagogik der Selbstbemächtigung nach Wilma Weiß

Wie vorhergehend aufgeführt, ist es zur Erlangung von Selbstwirksamkeit und Selbstbemächtigung wichtig, Partizipation zu leben und junge traumatisierte Menschen Partizipation erfahren zu lassen. Daher sollen in Angeboten der häuslichen Gemeinschaft emanzipatorische und partizipative Strukturen und Ansätze geschaffen werden – ganz im Sinne unser Jahresthema 2022. Umgesetzt werden kann dies schon bei täglichen Angelegenheiten wie der Mitbestimmung von Mahlzeiten, Wochenendplanungen etc.

  1. Sicherer Ort nach Martin Kühn

In der Pädagogik des sicheren Ortes nach Martin Kühn, geht es neben institutionellen Rahmenbedingungen auch um die Reflexion der eigenen, pädagogischen Identität. Die pädagogische Praxis von Martin Kühn gliedert sich in drei Teile:

  1. Der sichere Ort

Der Lebensort und die Alltagsbedingungen sollen von traumatisierten jungen Menschen als sicher, transparent, einschätzbar und verlässlich erfahren werden. Die Fachkräfte sollen diesen sicheren Lebensort schützen und wahren um den jungen Menschen fortlaufend einen Ort der Sicherheit und Geborgenheit bieten zu können.

  1. Der emotional-orientierte Dialog

Wie vorhergehende geschrieben, handeln junge traumatisiere Menschen aufgrund angeeigneter Überlebensstrategien. Fachkräfte müssen erkennen, welche Bedarfe hinter Verhaltensweisen der jungen Menschen stehen, um neue Wege der Kommunikation zu entwickeln.

  1. Der geschützte Handlungsraum

Der geschützte Handlungsraum entspricht im Kern der Schaffung des sicheren Ortes. Nur sollen hier die Fachkräfte bedacht werden, die für die herausfordernde Arbeit mit jungen traumatisierten Menschen einen geschützten Handlungsraum benötigen, um diese vor Überlastungen zu schützen und Unterstützungsressourcen zur Verfügung zu stellen.